Rohstoffsicherheit hat einen Preis – aber Nichtstun kostet mehr

Unternehmen stehen bei der Rohstoffversorgung vor einer wachsenden Verantwortung: Sie müssen vorsorgen, diversifizieren und Risiken managen. Wer sich widerstandsfähiger aufstellen will, muss allerdings nicht nur strategisch planen, sondern benötigt auch geeignete Finanzierungsinstrumente. Hier setzen Banken mit passenden Lösungen an – von der Lagerfinanzierung bis zur Handelsabsicherung. Doch klar ist auch: Eine resiliente Rohstoffversorgung liegt im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Die Politik muss daher einen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen und Banken gemeinsam wirksam werden können.
Versorgungssicherheit stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen
Die Zeiten globaler Just-in-Time-Lieferketten sind vorbei. Geopolitische Spannungen, störungsanfällige Logistik und der wachsende Zugriff Chinas auf kritische Rohstoffe sowie sein Quasi-Monopol bei der Weiterverarbeitung Seltener Erden zwingen Unternehmen zum Umdenken. Rohstoffsicherheit bedeutet heute: alternative Lieferanten aufbauen, Lagerhaltung stärken, langfristige Verträge abschließen. Das erhöht die Resilienz – kostet aber natürlich auch Geld.
Wer auf mehrere Zulieferer setzen will, braucht nicht nur neue Geschäftsbeziehungen, sondern auch Kapazitäten für Logistik, Qualitätssicherung und Vertragsmanagement. Lagerhaltung bindet Liquidität und verlangt neue Infrastruktur. Und wer direkt beim Rohstoffproduzenten kauft – etwa in Afrika oder Südamerika – muss Konditionen akzeptieren, um sich eine langfristige Versorgung zu sichern.
Diese Transformation ist aufwendig, aber notwendig – denn die Kosten eines Lieferabrisses sind für viele Unternehmen existenzbedrohend. Gerade kleine und mittlere Unternehmen brauchen hier Unterstützung.
Banken bieten Lösungen – von Working Capital bis Inventory Finance
Für viele dieser Herausforderungen existieren leistungsfähige privatwirtschaftliche Finanzierungsinstrumente. Banken begleiten Unternehmen dabei, auf resilientere Beschaffungsmodelle umzustellen:
- Inventory Finance ermöglicht die Finanzierung von Lagerbeständen, ohne die Bilanz zu belasten. Statt Kapital in Rohstoffen zu binden, verkauft das Unternehmen die eingelagerten Vorprodukte an einen Finanzierungspartner und erhält im Gegenzug sofort Liquidität – das Material verbleibt aber im Lager und kann später zur Produktion abgerufen werden. Ein Beispiel: Ein Industriebetrieb mit steigender Nachfrage nach Nickel lagert größere Mengen ein, verkauft diese Ware buchhalterisch an eine Finanzierungsgesellschaft und kauft sie bei Bedarf zurück – so bleibt das Material verfügbar, ohne die eigene Liquidität zu belasten.
- „Working Capital“-Lösungen helfen Unternehmen, liquide zu bleiben, auch wenn Zahlungen noch ausstehen oder sich durch globale Lieferketten verzögern. Mit Instrumenten wie Factoring, Forfaitierung oder Supply-Chain-Finance können Forderungen schneller zu Geld gemacht oder Zahlungsziele besser gesteuert werden. Beispiel: Ein deutscher Mittelständler verkauft Halbfertigerzeugnisse an Kunden in Europa, lässt offene Rechnungen von seiner Bank vorfinanzieren und gewinnt damit Liquidität für den Materialeinkauf – ohne auf Zahlungseingänge warten zu müssen.
- Handelsfinanzierung sichert grenzüberschreitende Rohstoffgeschäfte ab – insbesondere bei neuen Lieferanten oder in geopolitisch unsicheren Märkten. Banken stellen dabei Akkreditive, Garantien oder Zahlungsversicherungen zur Verfügung, um das Risiko für Käufer und Verkäufer zu minimieren. Ein Beispiel: Ein Maschinenbauer bezieht Seltene Erden aus Zentralasien – die Bank stellt ein Akkreditiv, das dem Lieferanten die Zahlung garantiert, sobald die Ware verladen wurde. So entsteht Vertrauen zwischen den Partnern, und das Geschäft wird überhaupt erst möglich.
Doch nicht alles lässt sich allein privatwirtschaftlich stemmen. Gerade in rohstoffkritischen Bereichen ist das Zusammenspiel mit der öffentlichen Hand entscheidend. Zwar tragen in erster Linie Unternehmen allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen die Verantwortung, eine stabile Lieferkette sicherzustellen. Klar ist aber auch, dass es sich beim Thema Rohstoffsicherheit um ein politisch-strategisches Gesamtinteresse handelt.
Der Staat investiert bereits – jetzt braucht es Tempo und Wirkung
Rohstoffpolitik ist Standortpolitik. Der Staat darf sich hier nicht auf rein ordnungspolitische Zurückhaltung beschränken. Gerade in der deutschen Unternehmenslandschaft mit vielen KMU ist es nicht realistisch, jedem Betrieb die alleinige Verantwortung für seine eigene Rohstoffsicherheit zu übertragen.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist der Deutsche Rohstofffonds, der seit 2024 unter dem Dach der KfW agiert. Mit bis zu einer Milliarde Euro beteiligt sich der Staat an Projekten der Rohstoffgewinnung, -verarbeitung und des Recyclings. Das gilt vor allem dort, wo privatwirtschaftliche Investitionen allein nicht ausreichen. Der Fonds kann insbesondere in frühen Projektphasen oder risikobehafteten Märkten eine wichtige Hebelwirkung entfalten – dafür muss er zügig, pragmatisch und mit klarer Governance umgesetzt werden.
Noch weit mehr Potenzial liegt in einem seit Jahrzehnten bewährten Instrument: den UFK-Garantien.
UFK-Garantien: Wirkungsvoll, aber untergenutzt
Die staatlichen Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien) ermöglichen es Banken, Rohstoffprojekte im Ausland gegen wirtschaftliche und politische Ausfallrisiken abzusichern. Sie sind ein strategisches Instrument zur Versorgungssicherung und werden insbesondere dann relevant, wenn eine private Finanzierung ohne staatliche Absicherung nicht zustande kommt. Ein zentrales Förderkriterium ist dabei der langfristige Abnahmevertrag zwischen einem ausländischen Produzenten und einem deutschen Abnehmer, bei dem das Zwischenprodukt in Deutschland verarbeitet oder weiterverwendet wird. Seit 2023 gilt dies ausdrücklich auch für Projekte mit klimafreundlicher Wirkung, etwa im Bereich Batterietechnologie oder Wasserstoffproduktion. Diese Erweiterung – der sogenannte Klima-UFK – eröffnet neue Möglichkeiten, zukunftsweisende Transformationsprojekte abzusichern.
Trotz dieser Erweiterungen wird das Instrument bislang zurückhaltend genutzt: Ende 2024 entfielen von insgesamt 13 aktiven Garantien mit einem Gesamtvolumen von 10,9 Milliarden Euro rund 8,0 Milliarden Euro auf Rohstoffprojekte (zehn Garantien) und 2,9 Milliarden Euro auf Transformationsprojekte (drei Garantien). Demgegenüber steht eine Gewährleistungsermächtigung des Bundes in Höhe von 70 Milliarden Euro. Nach Abzug der im selben Zeitraum bestehenden Direktinvestitionsgarantien (2024: 27,4 Milliarden Euro) ergibt sich ein Spielraum von knapp 30 Milliarden Euro, der derzeit nicht genutzt wird.
Um das Potenzial besser auszuschöpfen, sollten einige Dinge verändert werden:
- Die 4:1-Regel reformieren: Derzeit darf maximal ein Viertel des Wertes der kumulierten Rohstofflieferungen abgesichert werden. Eine Anhebung dieser Quote würde Rohstofffinanzierungen attraktiver und realistischer machen.
- Vertragslaufzeiten flexibilisieren: Revolvierende oder kürzer laufende Lieferverträge, wie sie heute in vielen Rohstoffmärkten üblich sind, sollten ebenfalls absicherungsfähig sein.
- UFK-Garantien auch im Inland ermöglichen: Projekte zur heimischen Rohstoffverarbeitung, Lagerhaltung oder Recycling sind oft ebenso risikobehaftet wie Auslandsprojekte und genauso systemrelevant.
Klassische UFK-Garantien wie auch der neue Klima-UFK könnten durch solche Anpassungen deutlich an Wirkungskraft gewinnen und damit mehr Rohstofflieferungen nach Deutschland ermöglichen.
Fazit: Finanzierung darf bei der Rohstoffwende nicht aus dem Blick geraten
Rohstoffsouveränität beginnt nicht im Ministerium oder auf der Landkarte, sondern mit konkreten Projekten – und deren Finanzierung. Banken bringen Erfahrung, Strukturen und Risikomanagement mit. Der Staat stellt wichtige Absicherungsinstrumente bereit. Jetzt kommt es darauf an, beides intelligent zu verzahnen.
Denn klar ist: Eine resiliente Rohstoffversorgung kostet Geld – aber nicht zu handeln dürfte am Ende sehr viel teurer werden. Die Verfügbarkeit gerade von knappen Rohstoffen ist von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie.
Rolle der Banken in der Rohstofffinanzierung

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Phillip Lang
Unternehmensfinanzierung